Geschätzte 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung haben eine besonders ausgeprägte Empfindsamkeit, somit eine spezielle Sensibilität. Diese wirkt sich auf die Wahrnehmung, das Nervensystem und das Hormonsystem aus und beeinflusst merkbar alle Ebenen des Seins – körperlich, seelisch und geistig.
Erstmals erforscht und benannt wurde die sogenannte „Hochsensibilität“ 1997 von der amerikanischen Psychologin Elaine N. Aron. Bis heute gibt es bedauerlicherweise nur wenige bekannte Forschungen, die sich mit den Ursachen dieses Phänomens beschäftigen.
Dennoch kann man aus den vorhandenen Studien ableiten, dass sich Hochsensibilität am ehesten mit einem Unterschied in der neurologischen Konstitution des Gehirns betroffener Menschen erklären lässt. Also, dass das Gehirn hochsensibler Menschen äußere Eindrücke intensiver und komplexer verarbeitet als der Durschnitt.
Hochsensibilität bringt viele Vorteile mit sich, wie eine speziell komplexe Wahrnehmung, Reflexionsfähigkeit durch Einfühlungsvermögen allen Lebewesen gegenüber, Intuition, Kreativität, usw.Hochsensibilität ist aber keine Krankheit, sonder eher ein „Anders-Sein“.
Diese Menschen sind bei den Naturvölkern hoch geschätzt, weil sie z.B. schon früher das Nähern einer Gewitterwolke oder ein gefährliches Tier erspüren können als andere Menschen. Bei der Suche nach Trinkwasser ist eine feine Wahrnehmung auch recht günstig. Diese Menschen haben eine wichtige Rolle in Gruppen, die mit der Natur im Einklang leben, genauso wie die Jäger oder die Heiler.
In naturfernen Umgebungen wie in Großstädten werden solche Eigenschaften jedoch wenig gebraucht und durch störende Faktoren wie Lärm, Überreizung, Stress, geringe Luft- und Nahrungsmittelqualität an Bedeutung verdeckt.
Hochsensible Menschen erschöpfen – aufgrund ihrer intensiveren Wahrnehmung und Informationsverarbeitungsprozessen – schneller, empfinden sich deswegen als schwach und weniger belastbar, obwohl sie mehr Leistung in der gleichen Zeitspanne erbringen (müssen), als ihre weniger sensiblen Zeitgenossen.Dazu kommt noch – oft bereits in der Kindheit – die Spiegelung der Familie und Freunde, dass man kompliziert und anders wäre als die anderen.
Das stimmt auch aus ihrer Sicht, weil für Menschen, die nicht so empfindsam sind, ist es kaum vorstellbar, wieso einfache Eindrücke und Geräusche so schnell zu viel werden können.
Aus Unverständnis gesprochene Worte und Zuschreibungen werden aber leicht zu einem Teil des Selbstbildes und hochsensible Menschen halten sich selbst für kompliziert, wenig belastbar und unzulänglich.Da wir uns eher unseren Gruppen anpassen wollen, um in den jeweiligen Beziehungen (Familie, Freunde) bleiben zu können, versuchen hochsensible Menschen häufig, es den anderen doch recht zu machen. Sie versuchen bei Aktivitäten mitzumachen, solange sie können, dann explodieren sie, weil sie merken, dass ihre Grenzen mehrfach überschritten worden sind. Im schlimmsten Fall kann es so weit gehen, dass chemische Medikamente verabreicht werden, weil die Symptome nicht als Hochsensibilität erkannt werden.Das ist bedauerlich, denn sobald man verstanden hat, warum etwas problematisch ist wie laute Musik, Gerüche oder Berührungen, lässt sich dafür eine Lösung finden – ohne Medikamente.