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WO DAS GLÜCK WOHNT

Eine ferne Insel, weißer Sand, türkisblaues Meer, Palmenbäume, eine leichte Brise. Es könnte der Paradies sein. Vor dem Strand ein kleines Dorfplätzchen, wo sonntags Einheimische ihre Decken ausbreiten, Köstlichkeiten auspacken und sich angeregt unterhalten. Kleine Kinder laufen herum, Jungs spielen Fußball – lassen ihre Musik laut spielen und scherzen dabei – Mädchen stolzieren quer durch den Platz. Eine Art gelassener Lebendigkeit und Zufriedenheit breitet sich aus. Diese Menschen scheinen nicht wohlhabend zu sein, darauf lassen die einfachen, bunten Kleider und Decken schließen. Sie scheinen aber mit dem, was sie haben, zufrieden zu sein.





Ein paar Meter weiter am Strand liegen Menschen, augenscheinlich aus anderen Ländern. Ihre Haut ist hell und sie haben meist ihre Kopfhörer in den Ohren oder sie vergraben sich hinter ihren eBooks oder Handys. Manche gehen mit ernsten Mienen am Meer entlang spazieren. Sie wirken irgendwie verschlossen und sorgenvoll. Diese Ernsthaftigkeit scheint eine Beeinträchtigung unserer kopflastigen und materialistischen Lebensweise in wohlhabenden Ländern zu sein. Mitten im Paradies und doch so ernst und belastet.


Die Frage drängt sich unweigerlich auf: wo wollen diese Menschen glücklich sein, wenn nicht hier?


Vielleicht liegt es daran, dass wir uns selbst überall hin mitnehmen. Unsere Vergangenheit, unsere Geschichten und all die unverarbeiteten Verletzungen aus unseren Beziehungen. Es ist, als ob wir permanent in einer Blase voller Gedanken -und das meist in der Vergangenheit – verweilen würden. Die Gegenwart konnte ja dort auf der Insel nicht sein, denn es war objektiv betrachtet zu schön und ohne Bedrohungen. Vielleicht einen Sonnenbrand könnte man sich holen, aber vielmehr ist es nicht, denn auf dieser Insel leben keine gefährliche Tiere und die Kriminalitätsrate ist niedrig.


Wie schade, wenn man sogar hier die eigene „Vergangenheitsblase“ nicht verlassen kann. Ereignisse, die wir noch nicht verarbeiten konnten, werden dadurch nur noch mehr ins Gedächtnis eingraviert, je öfter wir daran denken. Das ist nicht die Lösung. Es ist, als ob eine Schallplattennadel hängengeblieben wäre und immer wieder diese eine, schmerzliche Melodiensequenz spielen würde.

Jetzt stellt sich die Frage: wo wohnt das Glück? Vielleicht in dem Augenblick, in dem es uns bewusst wird, wie schön dieser Augenblick ist und wir diesen mit Dankbarkeit und Freude in uns aufnehmen können. Klingt geschwollen? Mag sein. Die Fähigkeit Glück zu empfinden hängt meines Erachtens zusammen mit der Fähigkeit, sich innerlich zu befreien und den Blick und die Aufmerksamkeit für die Gegenwart frei zu bekommen.


Der Weg dorthin könnte sein, Mut zu fassen und sich den eigenen Schatten und Dämonen zu stellen. Das kann man auch alleine dadurch erreichen, indem man gute Bücher liest oder Seminare besucht. Aber irgendwann kommt ein Punkt, wo wir alleine nicht mehr weiterkommen. Wir sind in unserem Labyrinth verloren gegangen.


In einer Therapie hat man hingegen eine sichere Begleitung und wird Tag für Tag durch die tragende, wärmende Beziehung stärker, um sich sanft den Schatten nähern zu können. Wie oft habe ich schon gehört: „Wenn ich das früher gewusst hätte, dass es nicht schlimmer ist, hätte ich es nicht so lange vor mir hergeschoben, mich meiner Vergangenheit zu stellen!“


Es gehört zu den schönsten Therapiemomenten, wenn sich jemand allmählich befreit und das erste Mal – nach langer Zeit – beginnt sich zu spüren und sieht, wie schön es eigentlich in unserem tiefsten Kern ist. Das macht glücklich und zufrieden.

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